Ich kündige meinen Job als Fashion-Bloggerin

Unsere Autorin hat sich als Mode-Bloggerin versucht. Doch dann wurde es ihr zu anstrengend.

Ich bin ein Spätzünder, was Instagram angeht. Oder Inliner-Fahren. Oder auch den Führerschein. Damals hatte ich mich aus den Erzählungen einer Freundin in ihre Fahrlehrerin verliebt, die mit ihren Fahrschülern regelmässig auf Verfolgungsjagd ging. Denn ihr Mann floh mit Vorliebe gerade dann aus der Anstalt, wenn es an der Zeit war, den Kreisverkehr zu lernen. Der Entschluss, endlich selbst das Lenkrad in die Hand zu nehmen, dauerte bei mir allerdings so lange, dass die Frau mittlerweile (pensioniert) in Thailand die Sonne geniesst. Davon musste ich im Radio erfahren. Ihren Mann haben sie nicht erwähnt. Aber egal.

Jedenfalls fing es damit an, dass plötzlich Instagram auf meinem Smartphone war und mir Bilder von schönen Landschaften, schönem Essen, schönen Taschen, schönen Schuhen auf schönen Fliesenböden, schönen Frauen, schönen Ärschen und schönen Katzen ins Gesicht sprangen. Alles war schön. Sogar die Eintönigkeit, in der viele Instagram-Blogger (Filter sei Dank) ihre Fotos präsentierten, war schön, während im realen Leben kaum einer sagen würde: „Was für ein schönes, eintöniges Leben du hast. Alles ist schwarz-gelb-weiss-grau.“

Aber eintönig war mein Leben sowieso, also konnte ich es genau so gut auch auf Instagram präsentieren. Fehlte nur noch, das Schöne in der Eintönigkeit zu suchen. Oder zu kaufen. Und so zückte ich meine Kreditkarte und schlug die Laufbahn einer Mode-Bloggerin ein.

Das Leben ist zu kurz für Prämien

Wie der normale Karriere-Verlauf einer solchen aussieht, weiss ich nicht. Ich stelle mir aber vor, die meisten Bloggerinnen haben so viel «Style», dass die Freundinnen sie bewundern und die Passanten sagen: «Du hast so viel Style. Du musst Mode-Bloggerin werden!»

Das passierte mir nicht. Stattdessen kam Frau Ich-mag-alles-was-glitzert, die sich mit Herrn Das-Leben-ist-zu-kurz-für-Krankenkassenprämien paarte. Das Kind war schnell geboren. Und es war ein verwöhntes Kind. Es wollte Ruhm und Ehre, ohne Blut, Schweiss und Tränen. Es zog am neu bestellten Rockzipfel und sagte: «Alles wird gut.» Ich solle meine neuen Schuhe und Mäntel präsentieren, bis Modelabels auf mich aufmerksam geworden waren, sagte es. Die würden mir dann ihre Fummel nur so um die Ohren schmeissen, sagte es, denn so funktioniere das heute, mit den Werbeeinnahmen und so, darüber hatte es einen Youtube-Clip geschaut. Und ich glaubte dem Kind, liess mich am Rockzipfel mitziehen, tiefer in die Welt der Social Media und einen Hauch von Luxus. Ich mochte Luxus. Auch wenn ich mich ein wenig dafür schämte.

Doch die Scham war schnell verflogen. Der Warenkorb schnell gefüllt. Die Kreditkarte schnell überzogen. Weder Grenzpolizei noch Landesverrat konnten mich an meinem Vorhaben hindern. Notleidende und hungernde Kinder in der Dritten Welt? Ich kurbelte die Wirtschaft an! Oberflächlichkeit? Bereits Kant hatte sich mit der Philosophie des Schönen befasst! Und plötzlich verstand ich, wieso der Teufel Prada trug und warum Cruella de Vil kleine Dalmatinerhunde so liebte.

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Es war ein Rausch. Und wie nach jedem Rausch kommt irgendwann die Nüchternheit, die einen zurück auf den Boden der Realität wirft, in der man eigentlich nicht leben will. Doch dagegen anzukämpfen war zwecklos, denn ich hatte gemerkt: Bloggen ist harte Knochenarbeit.

«and the #weekend can start!»

Eine Mode- und Lifestyle-Bloggerin steht am Wochenende nicht einfach auf und lässt ihren Freund ein paar Eier in die Pfanne hauen. Nutella auf Pfannkuchen? Zu ordinär. Wenn sie nicht gerade in teuren Restaurants isst, hat sie am Tag zuvor Heidelbeeren auf dem Markt eingekauft. Diese wirft sie keck über einen Teller frischer Pancakes, um ihn mit einem farblich abgestimmten Buch, einer Sonnenbrille und den neu bestellten, blauen (die Heidelbeeren waren kein Zufall) Glitzerschuhen auf der schneeweissen Bettwäsche zu einem Kunstwerk anzuordnen. Sieben Fotos aus der Vogelperspektive, ein blassgrauer Filter, «and the #weekend can start!»

Danach auf der faulen Haut liegenbleiben? #NOT für eine Mode-Bloggerin. Stattdessen geht es topgestylt in den Wald, den ich von innen zuletzt auf Instagram-Bildern gesehen habe. Als Fotografin muss meine schwangere Freundin herhalten. Die keucht im Gestrüpp neben mir her, während ich meine neue, schweinchenrosa Jacke im Kontrast zu den orange-braunen Herbstblättern präsentiere. Meine Freundin knipst und knipst. Ich blicke – in Mode-Blogger-Manier – gedankenverloren in die Ferne und hoffe, ihr Baby wird fotogen, dann können wir die Geburt auf Instagram feiern. Dass ich mich in der Schweinchenjacke unwohl fühlte, versuchte ich tapfer zu unterdrücken, denn wer Schweinchenrosa nicht tragen konnte, die wohl harmloseste aller Farben, würde auch die schweren Bürden des Lebens nicht tragen können. Darin schien mir auch die 8-Jährige mit dem Barbie-Rucksack zuzustimmen, die mir auf der Busfahrt nach Hause bewundernde Blicke zuwarf.

Zurück in den Alltag

Eine Woche später war der ganze Zauber aber auch schon verpufft. Ich riss mich vom Glitzer-Kind los und es quengelte noch ein bisschen, dann rannte es in eine andere Richtung. Etwas anderes hatte seine Aufmerksamkeit erhascht. In meiner Schweinchen-Jacke fühlte ich mich mittlerweile zwar pudelwohl, aber für Waldspaziergänge und Footoshootings war ich zu faul, für regelmässige Shopping-Eskapaden zu arm. Es gibt Dinge, für die ist man einfach nicht gemacht. Wie Autofahren, wenn man von der richtigen Fahrlehrerin sitzengelassen wurde.

Ich kehrte also zurück in mein normales Leben. Zahlte brav Miete und Krankenversicherung und desabonnierte die Newsletter der Modelabels. Es tat einfach zu sehr weh. Mein Freund durfte wieder Eier in die Pfanne hauen, die wir ganz normal am Küchentisch assen. Und da wir kein Essen zu fotografierten hatten, hatten wir Zeit uns zu unterhalten und auf der nicht frisch-bezogenen Bettwäsche zu kuscheln. Ich las wieder Bücher, die farblich nicht zu meinen Schuhen passten, oder zu den Heidelbeeren, für die ich nicht auf den Markt ging. Was blieb, waren die Glitzerschuhe und die Schweinchenjacke. Und gestern drehte sich ein Passant auf der Strasse nach mir um und meinte: «Du musst…»

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